Aufrecht in den Untergang - Wie können und wollen Piraten wirken?
Datum: Mittwoch, dem 08. Januar 2014
Thema: Recht-Infos


OpenPr.de: Berlin, Januar 2014 - Zu dem für die Piratenpartei ernüchternd ausgefallenen Ergebnis der Bundestagswahl sowie mehreren krachend verlorenen Landtagswahlen sind bereits zahlreiche mehr oder weniger treffende Analysen geschrieben worden.

Man könnte dieses Spiel nun weiter führen und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass es auch nach den Wahlen im Jahr 2014 weitergeführt wird.

Die meisten Wahlanalysen gehen von der Grundfrage aus, aus welchen Gründen es der Partei bei der jeweiligen Wahl nicht gelungen ist, eine entsprechende Wählerschaft zu mobilisieren.

Diese konformistische Herangehensweise ist zunächst durchaus angebracht, schließlich ist es Sinn und Zweck der Parteien im vorgefundenen Parlamentarismus Einzug ins Parlament zu halten.

Gleichzeitig bleiben die Erkenntnisse einer auf die jeweilige Mobilisierungsfähigkeit gerichteten Sichtweise jedoch recht beschränkt: Der o. g. Sinn und Zweck der Parteiarbeit wird eben vorausgesetzt und anerkannt.

Ausgeblendet wird dabei die Frage, wozu es überhaupt eine Partei wie die Piraten braucht, vor allem, wenn ihr Ziel wirklich nur die Teilnahme am parlamentarischen Prozess sein soll.

Die Frage sollte also vielmehr sein: Was wollen die Piraten überhaupt in den Parlamenten? „Klarmachen zum Ändern“ ist ein älteres Motto, das sich die Partei irgendwann einmal gegeben haben. Der Anspruch, etwas anders machen zu wollen, ist wohl nach wie vor vorhanden.

Wenn nun aber „geändert“ werden soll, so müssen sich die Piraten doch irgendwann einmal klar darüber werden, was sie denn nun wo ändern will. Hier ist eines der wirklichen inhaltlichen Defizite der Partei.

Schlagworte wie „Transparenz“, „Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe“ oder „Digitale Gesellschaft“ sehen im Parteiprogramm vielleicht ganz gut aus und können als Zielvorstellung dienen.

Dass ein Parteiprogramm eher als unverbindliche Absichtserklärung gelten kann, lehrt die Erfahrung: Sozialdemokraten machen asoziale Gesetze, ehemals grüne Pazifisten sorgen für Kriegseinsätze oder eine privatisierungskritische Linkspartei privatisiert sobald sie an der Regierung sitzt.

In einem Parteiprogramm können Absichtserklärungen und Wunschvorstellungen zusammengefasst werden. Das machen alle so.

Als Partei, die „ändern“ will, müssen sich die Piraten fragen: Lassen sich unsere Absichtserklärungen und Wunschvorstellungen überhaupt in einem parlamentarischen System verwirklichen, das so funktioniert, wie wir es in Deutschland vorfinden?

Seit einigen Jahren wird das hauptsächlich vom britischen Politologen Colin Crouch geprägte Konzept der Postdemokratie diskutiert. Postdemokratie meint – verkürzt – ein politisches System, in dem zwar Wahlen abgehalten werden, welche sich allerdings nicht um tatsächliche Alternativen drehen.

Vielmehr werden durch professionelle PR Themen gesetzt und dadurch ein politisches „Spektakel“ inszeniert, wobei die eigentlichen Entscheidungen von Regierung und wirtschaftlichen Eliten hinter verschlossenen Türen wenn schon nicht getroffen, so doch in die Spur gebracht werden.

Was öffentlich als Politik wahrgenommen wird, gleicht hierbei einer permanenten Marketing-Veranstaltung. Politische Kommunikation findet nicht mehr als Diskurs statt, sondern verkommt zum blubbernden Verkaufsgespräch.

Erkennbar sei die Entwicklung der „westlichen Demokratien“ hin zu einer Postdemokratie auch in den ideologisch überholten gängigen Parteien, die ihrer Identität nach „mit den Konflikten des 19ten und des frühen 20ten Jahrhunderts verhaftet“ seien.

Den Wähler/innen kämen die Wahlkämpfe in diesem System wie „Werbefeldzüge von Firmen“ vor und nicht wie ein „ernster Diskurs mit Bürgern“.

Und ähnlich wie sog. Globalisierungskritiker/innen sieht Crouch auch die Entwicklungen an, die mit der Globalisierung von Wirtschaft und Politik einhergehen: „Die wichtigsten politischen bzw. wirtschaftlichen Prozesse finden auf einer Ebene statt, welche die nationale Demokratie nicht mehr erreichen kann. Immer mehr erkennen wir, dass die Bürgerrechte, die national verteidigt werden, gegen übernationale Gebilde auf verlorenem Posten stehen.“

Weiterhin sei ein Merkmal der Postdemokratie die Abwesenheit der Trennung von Politik und Wirtschaft, die zwar theoretisch proklamiert werde, im „aktuell existierenden Neoliberalismus“ aber tatsächlich nicht bestehe, auch wenn dieser Befund von den Befürwortern des Status quo bestritten werde.

Den postdemokratischen Parteien, die sich in einzelnen Programmpunkten vielleicht unterscheiden mögen, aber alle den o. g. Mechanismen folgen, bleibt es dabei überlassen, hin und wieder zu Wahlen aufzurufen. Die Bevölkerung spielt in diesem System eine eher passive Rolle.

Tendenziell verhält es sich so auch mit der Institution des Parlaments: Wer glaubt, im Parlament würde mit Sachlichkeit und Argumenten gestritten, ist im besten Fall naiv. Und wer meint, ein Parlament diene in der vorgefundenen Form der Kontrolle der Regierung, hat nicht viel verstanden oder ist Politiklehrer/in. Im Gegenteil: Das heutige Parlament – das ist eine Binsenweisheit – dient der scheinbaren demokratischen Legitimierung von Regierungspolitik.

Macht sich die Piratenpartei ein unkritisches und staatsgläubiges Politikverständnis zu eigen, kann sie vielleicht vor den Augen der nichts als den Status quo akzeptierenden Akteure – wie zum Beispiel Politiker/innen anderer Parteien oder durchschnittliche Journalist/innen – bestehen und weiter im einen oder anderen Parlament Platz nehmen.

Ihr Anspruch zum „Ändern“ ist damit jedoch nicht umzusetzen. Vielmehr würde sich die Partei durch ihr Aufgehen im postdemokratischen Parteiensystem selbst überflüssig machen – so sie ihren Anspruch wirklich ernst nimmt und es sich dabei nicht nur um ein Label eigener PR-Strategien handelt.

Wie also können und wollen Piraten in so einem Kontext wirken? Wollen sie sich anpassen, sich also auf den im Kern unpolitischen Parteien-Reigen einlassen, oder wollen sie versuchen, dieses System zu verändern?

Das ist die Systemfrage, die sich die Piratenpartei stellen muss, wenn sie eine Berechtigung als wirklich neue Art von Partei haben will.

Auszug eines Beitrags von Dr. Benedict Ugarte Chacón für Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis

Mehr hier peira.org/aufrecht-in-den-untergang/

Peira - Gesellschaft für politisches Wagnis e. V.
Rainer Thiem
Bundesallee 119
12161 Berlin
Internet: www.peira.org

Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V. wurde im Februar 2013 ins Berliner ins Vereinsregister eingetragen. Das generelle Ziel des Vereins ist, neben der Förderung der politischen Bildung einen parteiübergreifenden Dialog zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu initiieren, um neues Denken und Handeln in den zentralen gesellschaftspolitischen Feldern zu fördern.

Zitiert aus: http://www.openpr.de/news/769156/Aufrecht-in-den-Untergang.html von Harald Hildebrandt, Autor siehe obiger Artikel.


OpenPr.de: Berlin, Januar 2014 - Zu dem für die Piratenpartei ernüchternd ausgefallenen Ergebnis der Bundestagswahl sowie mehreren krachend verlorenen Landtagswahlen sind bereits zahlreiche mehr oder weniger treffende Analysen geschrieben worden.

Man könnte dieses Spiel nun weiter führen und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass es auch nach den Wahlen im Jahr 2014 weitergeführt wird.

Die meisten Wahlanalysen gehen von der Grundfrage aus, aus welchen Gründen es der Partei bei der jeweiligen Wahl nicht gelungen ist, eine entsprechende Wählerschaft zu mobilisieren.

Diese konformistische Herangehensweise ist zunächst durchaus angebracht, schließlich ist es Sinn und Zweck der Parteien im vorgefundenen Parlamentarismus Einzug ins Parlament zu halten.

Gleichzeitig bleiben die Erkenntnisse einer auf die jeweilige Mobilisierungsfähigkeit gerichteten Sichtweise jedoch recht beschränkt: Der o. g. Sinn und Zweck der Parteiarbeit wird eben vorausgesetzt und anerkannt.

Ausgeblendet wird dabei die Frage, wozu es überhaupt eine Partei wie die Piraten braucht, vor allem, wenn ihr Ziel wirklich nur die Teilnahme am parlamentarischen Prozess sein soll.

Die Frage sollte also vielmehr sein: Was wollen die Piraten überhaupt in den Parlamenten? „Klarmachen zum Ändern“ ist ein älteres Motto, das sich die Partei irgendwann einmal gegeben haben. Der Anspruch, etwas anders machen zu wollen, ist wohl nach wie vor vorhanden.

Wenn nun aber „geändert“ werden soll, so müssen sich die Piraten doch irgendwann einmal klar darüber werden, was sie denn nun wo ändern will. Hier ist eines der wirklichen inhaltlichen Defizite der Partei.

Schlagworte wie „Transparenz“, „Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe“ oder „Digitale Gesellschaft“ sehen im Parteiprogramm vielleicht ganz gut aus und können als Zielvorstellung dienen.

Dass ein Parteiprogramm eher als unverbindliche Absichtserklärung gelten kann, lehrt die Erfahrung: Sozialdemokraten machen asoziale Gesetze, ehemals grüne Pazifisten sorgen für Kriegseinsätze oder eine privatisierungskritische Linkspartei privatisiert sobald sie an der Regierung sitzt.

In einem Parteiprogramm können Absichtserklärungen und Wunschvorstellungen zusammengefasst werden. Das machen alle so.

Als Partei, die „ändern“ will, müssen sich die Piraten fragen: Lassen sich unsere Absichtserklärungen und Wunschvorstellungen überhaupt in einem parlamentarischen System verwirklichen, das so funktioniert, wie wir es in Deutschland vorfinden?

Seit einigen Jahren wird das hauptsächlich vom britischen Politologen Colin Crouch geprägte Konzept der Postdemokratie diskutiert. Postdemokratie meint – verkürzt – ein politisches System, in dem zwar Wahlen abgehalten werden, welche sich allerdings nicht um tatsächliche Alternativen drehen.

Vielmehr werden durch professionelle PR Themen gesetzt und dadurch ein politisches „Spektakel“ inszeniert, wobei die eigentlichen Entscheidungen von Regierung und wirtschaftlichen Eliten hinter verschlossenen Türen wenn schon nicht getroffen, so doch in die Spur gebracht werden.

Was öffentlich als Politik wahrgenommen wird, gleicht hierbei einer permanenten Marketing-Veranstaltung. Politische Kommunikation findet nicht mehr als Diskurs statt, sondern verkommt zum blubbernden Verkaufsgespräch.

Erkennbar sei die Entwicklung der „westlichen Demokratien“ hin zu einer Postdemokratie auch in den ideologisch überholten gängigen Parteien, die ihrer Identität nach „mit den Konflikten des 19ten und des frühen 20ten Jahrhunderts verhaftet“ seien.

Den Wähler/innen kämen die Wahlkämpfe in diesem System wie „Werbefeldzüge von Firmen“ vor und nicht wie ein „ernster Diskurs mit Bürgern“.

Und ähnlich wie sog. Globalisierungskritiker/innen sieht Crouch auch die Entwicklungen an, die mit der Globalisierung von Wirtschaft und Politik einhergehen: „Die wichtigsten politischen bzw. wirtschaftlichen Prozesse finden auf einer Ebene statt, welche die nationale Demokratie nicht mehr erreichen kann. Immer mehr erkennen wir, dass die Bürgerrechte, die national verteidigt werden, gegen übernationale Gebilde auf verlorenem Posten stehen.“

Weiterhin sei ein Merkmal der Postdemokratie die Abwesenheit der Trennung von Politik und Wirtschaft, die zwar theoretisch proklamiert werde, im „aktuell existierenden Neoliberalismus“ aber tatsächlich nicht bestehe, auch wenn dieser Befund von den Befürwortern des Status quo bestritten werde.

Den postdemokratischen Parteien, die sich in einzelnen Programmpunkten vielleicht unterscheiden mögen, aber alle den o. g. Mechanismen folgen, bleibt es dabei überlassen, hin und wieder zu Wahlen aufzurufen. Die Bevölkerung spielt in diesem System eine eher passive Rolle.

Tendenziell verhält es sich so auch mit der Institution des Parlaments: Wer glaubt, im Parlament würde mit Sachlichkeit und Argumenten gestritten, ist im besten Fall naiv. Und wer meint, ein Parlament diene in der vorgefundenen Form der Kontrolle der Regierung, hat nicht viel verstanden oder ist Politiklehrer/in. Im Gegenteil: Das heutige Parlament – das ist eine Binsenweisheit – dient der scheinbaren demokratischen Legitimierung von Regierungspolitik.

Macht sich die Piratenpartei ein unkritisches und staatsgläubiges Politikverständnis zu eigen, kann sie vielleicht vor den Augen der nichts als den Status quo akzeptierenden Akteure – wie zum Beispiel Politiker/innen anderer Parteien oder durchschnittliche Journalist/innen – bestehen und weiter im einen oder anderen Parlament Platz nehmen.

Ihr Anspruch zum „Ändern“ ist damit jedoch nicht umzusetzen. Vielmehr würde sich die Partei durch ihr Aufgehen im postdemokratischen Parteiensystem selbst überflüssig machen – so sie ihren Anspruch wirklich ernst nimmt und es sich dabei nicht nur um ein Label eigener PR-Strategien handelt.

Wie also können und wollen Piraten in so einem Kontext wirken? Wollen sie sich anpassen, sich also auf den im Kern unpolitischen Parteien-Reigen einlassen, oder wollen sie versuchen, dieses System zu verändern?

Das ist die Systemfrage, die sich die Piratenpartei stellen muss, wenn sie eine Berechtigung als wirklich neue Art von Partei haben will.

Auszug eines Beitrags von Dr. Benedict Ugarte Chacón für Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis

Mehr hier peira.org/aufrecht-in-den-untergang/

Peira - Gesellschaft für politisches Wagnis e. V.
Rainer Thiem
Bundesallee 119
12161 Berlin
Internet: www.peira.org

Peira – Gesellschaft für politisches Wagnis e.V. wurde im Februar 2013 ins Berliner ins Vereinsregister eingetragen. Das generelle Ziel des Vereins ist, neben der Förderung der politischen Bildung einen parteiübergreifenden Dialog zwischen Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft zu initiieren, um neues Denken und Handeln in den zentralen gesellschaftspolitischen Feldern zu fördern.

Zitiert aus: http://www.openpr.de/news/769156/Aufrecht-in-den-Untergang.html von Harald Hildebrandt, Autor siehe obiger Artikel.






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